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Die Behandlung von Schlaganfall (zhong feng) in der TCM

Es ist mein persönliches Ziel mit dem Zusammentragen der Informationen über die Behandlung von Schlaganfall, TCM-Praktizierenden eine hilfreiche Übersicht zu geben, die ihnen die Arbeit in der eigenen Praxis mit SchlaganfallpatientInnen erleichtern kann.

Einführung

Schlaganfall ist weltweit eine der Hauptursachen für Todesfälle und Behinderungen. In China ist die Situation heutzutage besonders prekär. Statistiken zeigen, dass 94.07/100 Schlaganfallpatienten 40 Jahre und älter sind.

Nach allopathischen Gesichtspunkten umfasst das hier besprochene Gebiet den ischämischen (Encephalomalazia alba), den hämorrhagischen Insult (intracerebrale, subarachnoidale Hämorrhagie, Encephalomalazia rubra) und ferner die transitorische ischämische Attacke (TIA).

Die Traditionelle Chinesische Medizin TCM verfügt über gute Möglichkeiten in der Behandlung von Schlaganfall und den daraus folgenden meist gravierenden Einschränkungen. Eine TCM-Behandlung dient weiter auch der Prävention eines apoplektischen Insults.

Das Auftreten dieser Erkrankung scheint in den letzten Jahren zwar zuzunehmen, ist in der Chinesischen Medizin jedoch ein schon vor mehr als 2000 Jahren besprochenes Krankheitsbild. Die Erwähnung und Differenzierung des Schlaganfalls findet sich schon im Nei Jing und im Jin Gui Yao Lue.

Schlaganfall wird in der TCM unter den Gesichtspunkten einer Qi- und Blutstörung angesehen. Diese wiederum generiert Wind, Feuer, Schleim und Stagnation, welche zur Blockierung oder zur Blutung von Gefässen des Gehirns führen.

Beim apoplektischen Insult werden in der TCM zwei wichtige Unterscheidungen getroffen, die einen Hinweis auf den Schweregrad der Krankheit liefern: Den Jing Luo (Meridian) – Schlaganfall, mit eher leichtem Verlauf und Befall der Meridiane Den Zang Fu (innere Organe) – Schlaganfall, mit schwerem Verlauf, Befall der Zang Fu und der Leitbahnen.

Schlaganfallattacken können saisonal unabhängig auftreten. Allerdings wird im Winter und Frühling ein deutlicher Anstieg verzeichnet.

Charakteristik des Schlaganfalls

Dem klinischen Bild eines Gehirninfarkts liegt in den meisten Fällen die Blockierung einer Gehirnarterie bzw. eine verminderte Blutversorgung des Hirngewebes oder eine intrazerebrale Blutung zugrunde. Folge davon sind neurologische Störungen und Ausfälle.

Die Symptome und deren Kombination können stark variieren. PatientInnen leiden oftmals unter folgenden Beschwerden:

  • Bewusstseinstrübung oder –verlust, unvollständige, seltener vollständige Hemiparese oder –plegie, halbseitige Sensibilitätsstörungen, Fazialisparese, Aphasie oder totaler Sprachverlust.

Des Weiteren können auftreten:

Kopfschmerzen, Schwindel, Verwirrtheit, Reizbarkeit, Übelkeit und Erbrechen, Harn- oder Stuhlinkontinenz oder -verhalt, Krämpfe, viel Schleim.

Zungenkörper: steif und/oder nach einer Seite abweichend, rot oder dunkelrot, purpurfarbene Punkte oder Flecken

Zungenbelag: ev. klebrig, weiss oder gelb

Puls: gespannt, schlüpfrig oder dünn

1. Bewusstseinsverlust

SchlaganfallpatientInnen können unter einer Tendenz zur Somnolenz, leichten Bewusstseinsstörungen oder völligem Bewusstseinsverlust leiden.

2. Hemiparese oder – paralyse

Die PatientInnen leiden unter Schwäche der Extremitäten, Kraftlosigkeit oder gänzlichem Bewegungsausfall der einen Körperseite. Meistens ist nur ein Arm oder ein Bein, selten sind Arm und Bein einer Seite gemeinsam betroffen. Zu Beginn der Erkrankung sind die Muskeln meist schlaff und werden in einem späteren Stadium spastisch und gespannt. Die Gelenke werden rigide und lassen sich nur noch schwerlich bewegen.

3. Abweichung von Mund und Zunge zu einer Seite

Bei einer halbseitigen Parese tritt normalerweise eine Abweichung von Mund und Zunge zur paralysierten Seite hin auf. Oftmals geht es mit einem Kontrollverlust des Speichels einher.

4. Verwaschene, unklare Sprache oder Sprachverlust

SchlaganfallpatientInnen leiden oft unter Störungen oder gänzlichem Verlust der Sprachproduktion. Sie sprechen unklar, verwaschen oder verlangsamt. Häufig werden dem Gehirninfarkt vorangegangene Warnsignale, in Form reversibler neurologischer Ausfälle, wie z.B. Seh-, Sensibilitäts- oder Sprechstörungen beobachtet.

5. Warn- und Alarmsignale

Meist treten vor einem Schlaganfall Warnsignale auf. Die Symptome umfassen Schwindel, Sehstörungen, Tinnitus, Kopfschmerzen, plötzlicher Sprachverlust, Gefühllosigkeit der Extremitäten. Diese Zeichen können mehrmals an einem Tag oder über einen längeren Zeitraum verteilt auftreten. Blut im Stuhl oder Erbrechen von Blut werden als Alarmsignale eingestuft.

Ätiologie und Pathologie

Schlaganfall auslösende Faktoren sind oft plötzlicher Wetterumschwung, physische Überarbeitung und Erschöpfung, extreme emotionale Überlastung.

In der TCM-Terminologie sprechen wir von rebellierendem Qi und Blut. Bei den meisten PatientInnen treten eine Leere von Ben bei einem Exzess von Biao auf: Fülle im oberen Teil und Defizienz im unteren Teil des Körpers. Ben-Leere wird als Leber- und Nieren-Yin-, Qi- und Blut-Mangel charakterisiert. Biao-Fülle tritt bei exzessivem Wind, Schleim und Feuchtigkeit, bei rebellierendem Qi und Blut auf. Da sich die Erkrankung im Gehirn manifestiert haben wir eine enge Verbindung zum Herzen, den Nieren, der Leber und Milz. Die Prädisposition ist also in Yin- oder Qi-Mangel, Feuer (Herz oder Leber), Wind (Leber und äusserer Wind), Schleim (Wind-Schleim, Feuchtigkeit und Schleim), Qi (rebellierend) und Blut (Stase) gegeben.

I. Yin- und Blut-Leere

Yin- und Blut-Leere können im Verlauf des Alterungsprozesses oder im Zusammenhang mit lang anhaltender Erkrankung auftreten. Ein Yin-Qi-Mangel impliziert eine Schwäche der blut-bewegenden und -antreibenden Kraft, was zu einer Stase in den Blutgefässen generell und bei Schlaganfall im Speziellen im Gehirn führt. Eine Leere von Yin und Blut verunmöglicht eine ausreichende Kontrolle des Yang was die Entstehung von innerem Wind begünstigt. Das Risiko eines Gehirnschlags wird durch eine möglicherweise hinzukommende Schleimbelastung weiter erhöht.

II. Erschöpfung

Erschöpfung führt zu einem unkontrollierten Aufsteigen das Yang-Qi was inneren Wind entstehen lässt. Ebenso können das Vorhandensein von Schleim und Blut-Stase das Risiko eines Schlaganfalls begünstigen.

III. Dysfunktion der Milz, innerer Schleim

Dysfunktion der Milz kann entstehen durch:

  • Unregelmässige Nahrungsaufnahme
  • Übermässige Einnahme von fetten, öligen, gebratenen Speisen
  • Leber-Qi das die Milz attackiert

Diese Bedingungen können die Milz schwächen und daraus folgend die Entstehung von Schleim begünstigen.

Wichtig: auch Leber-Feuer kann durch Eindicken der Flüssigkeiten zu Schleim führen.

IV. Extreme emotionale Überlastung

Unterdrückte Wut und andere emotionale Störungen können den ausgewogenen Fluss im Meridiansystem stören. Aufsteigendes Leber-Yang ist gewöhnlich die Folge von unterdrückter Wut und Zorn. Das unkontrollierte Leber-Yang generiert Wind und/oder Feuer, was einen unkontrollierten Blutfluss zur Folge hat und das Risiko eines apoplektischen Insults erhöht. Bei Schlaganfall tritt die Störung in den Funktionskreisen der Leber und des Herzens auf.

Diagnose

Schulmedizinisch wird die Diagnose eines Schlaganfalls mittels CT oder MRI gesichert.

Die TCM unterscheidet, je nach Schweregrad des neurologischen Ausfalls und dem Bewusstseinszustand des Patienten, einen Jing Luo (Meridian) – oder einen Zang Fu (Organ) – Gehirninfarkt.

Jing Luo (Meridian) – Schlaganfall

Ein Jing-Schlaganfall charakterisiert sich in halbseitiger Paralyse oder rigider Erhöhung des Muskeltonus, Deviation von Mund und Zunge, Sprachstörungen oder –verlust.

Ein Luo-Gehirninfarkt charakterisiert sich in halbseitigem Gefühlsverlust oder einer motorischen Schwäche, eine Deviation von Mund und Zunge sind möglich. Beide, Jing- und Luo-Gehirninfarkt, werden zusammenfassend als Jing Luo – Gehirninfarkt bezeichnet. Die Patienten sind bei Bewusstsein.

Zang Fu (Organ) – Schlaganfall

Diese Form charakterisiert sich durch Sprachstörungen oder –verlust, Halbseitenparalyse, Deviation von Mund und Zunge, einen zeitweiligen oder andauernden Bewusstseinsverlust oder Bewusstseinsstörung.

Wenn es bei oder nach der Attacke zu einem totalen Bewusstseinsverlust kommt, spricht das für eine Dominanz des pathogenen Qi’s und wird als Fu-Organ-Schlaganfall bezeichnet.

Wenn der Patient das Bewusstsein nicht vollständig verliert und das Bewusstsein zeitweise getrübt ist, spricht das für einen Kampf zwischen intaktem Zheng Qi (Aufrechtes Qi) und pathogenem Qi. Dieses Syndrom wird als Zang-Organ-Schlaganfall bezeichnet.

Differenzierung: Akute Phase, Rehabilitations- und konstituierende Rehabilitations-Phase

Die TCM teilt die Zeit nach dem Schlaganfall in 3 Phasen ein.

  • Akute Phase: erste 2 Wochen nach Ereignis beim Jing Luo-Schlaganfall erster Monat beim Zang Fu-Schlaganfall
  • Rehabilitationsphase: bis 6 Monate nach der akuten Phase
  • Konstituierende Rehabilitationsphase: die Zeit nach der Rehabilitationsphase, also nach 6 Monaten

Differenzierung: Wei-Syndrom und Schlaganfall

Die Symptome eines Wei-Syndroms umfassen, sich meist über einen langen Zeitraum entwickelnde, Schwäche, Atrophie, Parese oder Paralyse der Extremitäten. Meist sind beide Extremitäten betroffen. Keine Bewusstseinsveränderungen. Schlaganfall-Patienten sind meist in einer späteren Phase infolge einer Unterfunktion auch von Muskelatrophie betroffen.

Differenzierung: Ben/Biao und Bi/Tuo

Ben und Biao

Ben-Leere und Biao-Fülle sind allgemeine Charakteristika des Schlaganfalls. In der akuten Phase ist Biao-Fülle massgebend:

  • Kopfschmerz, Schwindel, Hemiparalyse oder -parese, plötzlicher Bewusstseinsverlust, Krämpfe und Rigor der Extremitäten deuten auf inneren Wind.
  • Rasselndes Atemgeräusch, ev. Schleimexpektoration, Bewusstseinsverlust, klebriger, weisser Zungenbelag zeigen eine Schleimpathologie an.
  • Rotes Gesicht, trockener Mund und bitterer Mundgeschmack, Hitzegefühl im Körper, v.a. am Rücken, Unruhe, trockener Stuhl, gelber Urin lassen auf pathogene Hitze schliessen.
  • Schwäche der Extremitäten, dunkle, purpurne Zunge deuten auf Blut-Stase und Yang-Qi-Mangel.

In der Rehabilitations- und der konstituierenden Rehabilitationsphase ist die Ben-Leere dominant:

  • Qi-Mangel: Paralyse der Extremitäten, ödematöse Hände und Beine, unkontrolliertes Ausfliessen von Sputum aus dem Mund, Schwitzen, Dyspnoe.
  • Yang-Mangel: subjektives Kältegefühl, kalte Extremitäten, Ödeme v.a. der Beine und Knöchel
  • Yin-Mangel: trockener Mund und Kehle, 5-Flächen-Hitze, roter Zungenkörper, dünner oder fehlender Zungenbelag.

Bi und Tuo

Bei einem Zang Fu-Schlaganfall wird des Weiteren zwischen Bi und Tuo unterschieden:

  • Bei einem Bi-Muster schliessen sich die inneren Passagen des Körpers. Dieser Verschluss äussert sich in Bewusstseinsverlust, zusammengepressten Zähnen, Kiefersperre, Rigor des Körpers, Obstipation und ist ein Fülle-Syndrom. Das Bi-Muster wird weiter in Yang- oder Yin-Bi differenziert.
  • Beim Yang-Bi-Muster dominiert Schleim-Hitze mit rotem Gesicht, Hitzegefühl des Körpers, Mundgeruch, Unruhe, Schleimrasseln in der Kehle.
  • Das Yin-Bi-Muster äussert sich in blassem Gesicht, lividen Lippen, Lust- und Antriebslosigkeit, kalten Extremitäten, weissem, klebrigem Zungenbelag und tiefem, langsamem Puls.
  • Das Tuo-Muster korrespondiert mit einem Yang-Kollaps, bei dem das Yang der 5 Zang-Organe den Körper verlässt. Die klinischen Manifestationen sind: Bewusstseinsverlust, Koma, offene Hände und Mund, geschlossene Augen, kalte Extremitäten, Schweiss, Harn- und Stuhlinkontinenz, oberflächliche, schwache Atmung. Lebensbedrohlicher Zustand.

Progression der Erkrankung

Im Verlauf der Zeit kann ein Jing Luo-Schlaganfall in einen Zang Fu-Schlaganfall fortschreiten oder vice versa. Ebenso kann ein Gehirninfarkt von einem Jing- zu einem Luo-, ein Zang- zu einem Fu-Schlaganfall übergehen.

Wenn ein Patient einige Zeit nach dem Ereignis an Bewusstseinsstörungen leidet oder das Bewusstsein verliert, erbrechen muss, über Kopfschmerzen oder steifen Nacken klagt, ist das ein klarer Hinweis auf eine Progression der Erkrankung, auf ein Abnehmen des Zheng Qi (Aufrechten Qi) bei einer Erstarkung des pathogenen Qi (Xie Qi). Die Erkrankung wird gravierender.

Wenn ein Zang Fu-Schlaganfall-Patient das Bewusstsein wieder zurückerlangt, die Bewusstseinsstörungen zurückgehen, die Beweglichkeit der Extremitäten zunimmt, beginnt die Erkrankung in ein Jing Luo-Syndrom überzugehen und ist als gute Prognose zu werten.

Behandlungsprinizip

In der akuten Phase, wenn sich v.a. Fülle im Biao manifestiert, wird Biao therapiert. Die Fülle an pathogenem Qi wird ausgeleitet und eliminiert. D.h. Leber besänftigen, Wind ausleiten, Schleim-Hitze klären, Schleim auflösen um Passagewege der Fu-Organe zu öffnen, Blut beleben, um Obstruktion der Luo zu beseitigen, Shen (Geist) wecken oder Bewusstsein wieder herstellen und Sinnesöffnungen frei machen.

Bei einem Bi- oder Tuo-Muster ist das Eliminieren von pathogenem Qi und das Befreien von Biao nicht ausreichend. Das Zheng Qi muss auf jeden Fall zugleich auch unterstützt und genährt werden. In der Rehabilitations- und in der konstituierenden Rehabilitationsphase ist desgleichen sowohl Exzess als auch Mangel vorhanden. Es ist also nötig den Exzess auszuleiten und zugleich die Leere zu füllen. Es werden Methoden angewandt wie: Yin nähren und Wind bezähmen, Qi tonisieren, Blut nähren und bewegen